Das Wohlstandssyndrom entwickelt sich zu einem immer größeren Problem in unserer Gesellschaft. Ein Überfluss an Nahrungsmitteln und die gleichzeitige Abnahme der Bewegung und der körperlichen Aktivität führen unweigerlich zu einem Übergewicht. Von Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m²) werden zunehmend auch Kinder und Jugendliche betroffen. Insbesondere gefährlich ist dabei die abdominale, stammbetonte Fettsucht, die mit einem erhöhten Risiko für die metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen einhergeht. In den USA ist bereits jeder zweite Erwachsene im Alter über 50 Jahre vom metabolischen Syndrom betroffen (Alexander CM, Landsman PB et al. 2003). Die Prävalenz steigt bis zum 60. Lebensjahr weiter an.
Bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde ein gemeinsames Auftreten der typischen Symptome Hypertonie, Hyperglykämie und Hyperurikämie von den Schweden Kylin und Maranon beschrieben. Die entscheidende Rolle der Adipositas in diesem Zusammenhang wurde 1956 vom Franzosen Vague deutlich erkannt, der eine Habituseinteilung in den androiden und gynoiden Typ einführte.
Des metabolischen Syndroms wurde 1981 von Hanefeld M und Leonhardt W folgendermaßen beschrieben:
„Gemeinsames Vorkommen von: Fettsucht, Hyper- und Dyslipoproteinämie, maturity onset Diabetes mellitus (Typ 2), Gicht und Hypertonie, verbunden mit erhöhter Inzidenz an arteriosklerotischen Gefäßerkrankungen, Fettleber und Cholelithiasis, das bei Überernährung und Bewegungsmangel auf dem Boden einer genetischen Disposition auftritt.“
In den letzten Jahren wurden verschiedene Definitionen des metabolischen Syndroms mit genauen Angaben der Grenzwerte für die einzelnen Komponenten ausgearbeitet (WHO 1999, NCEP ATPIII 2002). Dies erschwert leider die Vergleiche zwischen den zahlreichen Studien, die jeweils eine andere Definition benutzen. International Diabetes Federation (IDF) hat deshalb 2005 eine modifizierte Definition erbracht, die die viszerale (androide) Adipositas als Hauptmerkmal des metabolischen Syndroms festlegt. Viszerale Adipositas wird als Taillenumpfang von ≥ 80 cm bei der Frau und ≥ 94 cm beim Mann definiert.
Das Metabolische Syndrom wird nach dem „Konsensus der International Diabetes Federation“ aus dem 2005 durch folgende Kriterien definiert (Alberti KG et al Lancet 2005).
plus 2 der folgenden Befunde:
– bei Werten > 100 mg/dl ist oGTT empfohlen
Nach dem „National Expert Panel on Detection, Evaluation, and Treatment of High Blood Cholesterol in Adults“ (NCEP-ATP-III) wird die Diagnose gestellt, wenn mindestens drei der folgenden fünf Kriterien erfüllt sind:
In der Pathogenese des metabolischen Syndroms und seiner Einzelkomponenten wird der Insulinresistenz eine besondere Rolle zugeschrieben. Ein Zusammenspiel zwischen den Umweltfaktoren, genetischer Disposition sowie eine Bahnung bereits während der Fetalzeit und der Kindheit werden vermutet.
Bei der androiden Adipositas sind prodiabetogene Adipokine typischerweise erhöht, während Adiponectin absinkt. Zur prodiabetogenen Gruppe der Adipokine gehören Leptin, TNFα, Interleukin 6 und Resistin, Acute-phase Serum Amyloid A (ASAA) während Adiponectin ihre Wirkung antagonisiert und dadurch eine protektive Rolle spielt. Der gestörte Haushalt der Fettzellhormone ist mit einer subklinischen chronischen Endzündung assoziiert. Es besteht demnach eine starke Korrelation zwischen Leptin und TNFα einerseits und hsCRP, PAI und Monozytenadhäsionsmolekülen auf der anderen Seite. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine chronische, subklinische Inflamation den primären Risikofaktor für die Entstehung des metabolischen Syndroms darstellt.
Das metabolische Syndrom ermöglicht dank des klassischen Phänotyps oft eine Blickdiagnose und ist in seiner Vollausprägung sehr einfach festzustellen. In einer leichten Form sollte bei vorhandenen Risikofaktoren (Familienanamnese, PCOS) eine Kontrolle des Hüfte-Taille-Quotienten, des Blutdrucks, der Blutfette und der Zuckerwerte (anhand des oGTT) veranlasst werden. Zur Ergänzung der Diagnostik bietet sich eine Oberbauchsonographie (Fettleber) sowie die Bestimmung der Intima-Media-Dicke durch eine Duplexsonographie der Aa. carotides zum Nachweis von atherosklerotischen Veränderungen.
Ein Großteil der PCOS Patientinnen ist übergewichtig und weist die typische androide Form der Fettverteilung auf. Fast regelmäßig haben diese Frauen auch eine Insulinresistenz, die mit Hilfe vom HOMA Index sehr einfach erfasst werden kann. Ca. 30% der PCOS Patientinnen haben bereits bei der Erstvorstellung beim Arzt eine gestörte Glukosetoleranz. Die Zusammenhänge zwischen dem PCOS und dem Metabolischen Syndrom werden auch durch die Tatsache bekräftigt, dass Typ II Diabetikerinnen, aber auch Frauen mit Gestationsdiabetes in der Anamnese überdurchschnittlich oft Poyzystische Ovarien im Ultraschall aufweisen. Auch Dyslipidämie und Hypertonie, erhöhte PAI und Fibrinogenwerte werden signifikant häufiger bei den PCOS als im Vergleichkollektiv festgestellt. Die Präeklampsierate beträgt bei PCOS Patientinnen bis zu 30%.
Das Metabolische Syndrom stellt nach wie vor den Hauptrisikofaktor für die koronare Herzkrankheit dar (Talbott E et al. 2001) und soll möglichst rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Seine Prävalenz ist im PCOS Kollektiv um das 2 bis 4 fache höher als im Vergleichskollektiv (LJ Moran et al 2010). Auch schlanke PCOS Patientinnen zeigten nach dieser aktuellen Metaanalyse eine erhöhte Prävalenz an IGT (gestörte Glukosetoleranz) und am metabolischen Syndrom.
Unser Ziel muss deshalb sein, die Entstehung des Metabolischen Syndroms in diesem Risikokollektiv durch die adäquate Aufklärung und Beratung, zu verhindern! Selten jemand hat eine so gute Gelegenheit dafür wie die Frauenärzte, die bereits sehr junge Frauen mit PCO-Syndrom in ihren Ordinationen betreuen.